Werteerziehung an Schule
Eine der vordringlichsten Aufgaben von schulischer und außerschulischer Erziehung besteht m.M.n. – und hier spreche ich im Namen vieler mir bekannter Pädagogen – in der Vermittlung von Haltungen und Orientierung an demokratischen Werten, in einer Erziehung, die interpersonale Beziehungen in den Fokus stellt, wo Werte wie Solidarität, Kooperation und Beteiligung im Vordergrund stehen sowie die positiven Anlagen und Fähigkeiten, die Potenziale der Lernenden anerkannt und wertgeschätzt werden. Die Fähigkeit, die Andersartigkeit als Quelle gegenseitiger Bereicherung zu sehen, ist, denke ich, eines der wichtigsten übergeordneten Ziele jeder Erziehungsarbeit. Dieser Aspekt sollte Eingang finden in die Lehrpläne aller Fächer.
Nach Prengel scheint „die gelebte Praxis pädagogischer Anerkennung (…) in öffentlichen Debatten bisher oft noch ebenso verborgen zu bleiben, wie die vorherrschende Tabuisierung pädagogischer Kunstfehler“ und es fehle „auf der Ebene seelischer Verletzungen ein umfassend klärender Diskurs“ (in: Prengel, Annedore: Pädagogische Beziehungen zwischen Anerkennung, Verletzung und Ambivalenz, Ss. 13, 128). Die Untersuchungsergebnisse der Universität Tübingen und forsa sind auf der einen Seite ermutigend, andererseits sehen wir eine große Diskrepanz in der Vermittlungspraxis, wenn für Erziehungsarbeit wenig Zeit bleibt und Evaluationen und Leistungsmessungen ein wesentlicher Raum eingeräumt wird („wir lernen immer nur für die nächste Klassenarbeit bzw. den kommenden Abschluss“ wird allenthalben geklagt), was die Ergebnisse bestätigen. Hier ist ein Umdenken sowohl in den Schulverwaltungen als auch in der Öffentlichkeit dringend erforderlich.
Ich/wir begrüßen daher die Initiative des VBE, diesen in den vergangenen Jahrzehnten vernachlässigten Aspekt in den Fokus zu nehmen und wünschen uns einen nicht nur in der Fachpresse initiierten, sondern öffentlichen, breiten Diskurs. Ein staatlich verordneter Ethikunterricht mit zwei Wochenstunden kann nach meinen Erfahrungen nicht leisten, wenn gefordert wird: „Wir müssen Kindern und Jugendlichen in Schule die Zeit und den Raum geben, Haltung und Orientierung zu entwickeln. So erfahren sie sich selbst in der Interaktion mit anderen, auch über die Schule hinaus und entwickeln ein Selbstbewusstsein, das es ihnen ermöglicht, sich auch „Fremden“ und „Fremdem“ gegenüber angstfrei und selbstbewusst öffnen zu können.“ (VBE aktuell 2-3/2019, S. 19) Sicherlich ist hier die Lehrerweiterbildung genauso gefordert wie eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit, um einer weiteren Radikalisierung der Jugend entschieden entgegen wirken zu können. Schule ist ein geschützter Raum, in dem Konflikte zwischen Ethnien und Rassen immer wieder friedlich beigelegt werden können, weil alle Schülerinnen und Schüler dorthin kommen, mit der Erwartung (jedenfalls in den meisten Fällen, was meine 40jährige Erfahrung in mehreren Berliner Gesamtschulen bestätigt), für das künftige Leben Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt zu bekommen. Überall dort auf unserem Planeten, wo es Schulen gibt, sind Krieg und Zerstörung nicht existent. Das Erreichen der Ziele der Werteerziehungsstudie ist eine Herkulesaufgabe. Sie können jedoch wenigstens in Teilen erreicht werden, wenn der Diskurs auf breiter Ebene weiter geführt wird. Die Studie kann nachgelesen werden unter: www.vbe.de